125 Jahre "Historische Märsche"

Der Militärkapellmeister Emil Kaiser  kam am 7. Februar 1853 in Coburg zur Welt. Er ist nicht zu verwechseln mit dem Grazer Unterhaltungsmusik-Komponisten Emil Kaiser (1896-1966). Er wurde zunächst vom Musiktheoretiker Andreas Späth (1790-1876) ausgebildet und ging dann an das Konservatorium in Leipzig. Bereits im jugendlichen Alter von 17 Jahren (!) verpflichtete man ihn als Opern- und Chordirektor nach Bamberg und später nach Bad Kissingen (Bayern).

 

Weitere Stationen als Opern- und Theaterkapellmeister waren Dortmund, Zürich, Basel, Aachen, Riga, Augsburg und Bayreuth, wo er angeblich auch in persönlicher Beziehung zu Richard Wagner stand. 1878  kam Kaiser nach Salzburg, wo er auch die Auftritte des Orchesters des Mozarteums leitete. Ab 1880 war er in Olmütz und ab 1881 in Brünn tätig. 

 

1882 wurde Kaiser Militärkapellemister beim neuformierten K. u. K. Infanterie-Regiment Nr. 100 in Olmütz. In diesem Jahr führte er hier auch seine Oper Der Trompeter von Säckingen erstmals auf. 1886 bis 1893 diente er bei den "35ern" in Prag. Mit der Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 3 war Emil Kaiser zwischen 1893 und August 1898 in Brünn und Wien stationiert. Mit diesem Klangkörper spielte er auch anspruchsvolle symphonische Werke.

 

Mit seinem "Ersten Wiener Symphonie-Orchester" ging Kaiser ab 1898 wieder zivile Wege. Ab dem Schuljahr 1898/99 leitete er außerdem Militärmusikkurse an den Musikschulen Kaiser in Wien, wo er einen Instrumentalkurs zur Heranbildung von Orchestermusikern und einen einjährigen Lehrgang für angehende Kapellmeister durchführte. Die Wiener Musiklehrstätten Kaiser - Emil Kaiser ist mit dem Direktor Rudolf Kaiser nicht verwandt - boten neben dem Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreude (heutige Musikuniversität) als einzige Wiener Musiklehrstätte zu dieser Zeit Unterricht in allen Musiksparten an.

 

Von Anfang 1902 bis 1904 war Emil Kaiser wieder in militärischen Diensten beim Infanterie-Regiment Nr. 20 in Krakau. Nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst ging Kaiser nach München, wo er die Kaim-Konzerte (benannt nach dem Gründer Franz Kaim) leitete, die für das Musikleben der Stadt besondere Bedeutung hatten. In Bayern entstanden gemeinsam mit dem Schauspieler Konrad Dreher (1859-1944) und dem Schlierseher Bauerntheater auch eine stattliche Reihe von Volksstücken. Kaiser starb am 15. Oktober 1929 in München. Joseph Damánski nannte Emil Kaiser in seinem Militärkapellmeister-Lexikon "einen der tüchtigsten und intelligentesten Kapellmeister".

 

Nur sehr wenige andere Militärkapellmeister können ein derart vielfältiges Schaffen aufweisen: rund vierhundert Werke (davon wurden mehr als zweihundert gedruckt), darunter sechs Opern, eine Operette, Musik zu Volksstücken (Possen, Schwänke), Messen, Chöre, Lieder, Fanfaren und Wiener Tanzmusik. Mehr als drei Dutzend Märsche sind namentlich bekannt.

Emil Kaiser erhielt den ehrenhaften Auftrag, die Traditionsmärsche der einzelnen Regimenter nach einem einheitlichen Besetzungsschema zu bearbeiten. Sie erschienen unter dem Titel Historische  Märsche und sonstige Compositionen für das kaiserliche und königliche Heer.

 

Ziel dieses Auftrags war, "die älteren historischen Märsche, welche ihr Entstehen ruhmvollen Kriegsereignissen verdanken, sowie Märsche, welche der Erinnerung an glorreiche Regenten, berühmte Heerführer oder Regiments-Inhaber gewidmet werden und welche geeignet sind, die Tradition an hervorragenden Epochen unserer vaterländischen under Heeres-Geschichte zu beleben oder zu erhalten, zusammenzustellen, einheitlich zu instrumentieren und in Druck legen zu lassen." (Beiblatt zu dem Norm-Verordnungsblatte für das k. und k. Heer, Erlass vom 21. März 1895, Präs. Nr. 1157)

 

Es wurde jedoch nur einem Teil der Regimenter Märsche zugewiesen. Eine Vielzahl populärer Kompositionen der Zeit (man denke nur an den sehr erfolgreichen Marsch Unter dem Doppel-Adler von "Marschkönig" Josef Franz Wagner aus dem Jahr 1890) fielen offensichtlich nicht in obige Definition und sind daher auch hier nicht zu finden. Die Autorisierung der Ausgabe erfolge am 28. November 1895 durch das Kriegsministerium.

 

Jeder Truppenkörper bekam ein Exemplar (auf eigene Kosten), ein  kostbar ausgeführtes Widmungsexemplar mit emaillierten, aufwendig gestalteten Buchdeckeln kam in die Fidei-Kommis-Bibliothek der Privatsammlung des Kaisers und befindet sich nun in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

 

Eine Faksimile-Ausgabe, herausgegeben und kommentiert vom Verfasser dieses Blogs erschien als Nr. 1 der Reprints und Manuskripte der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der Blasmusik (IGEB) beim Musikverlag Kliment in Wien mit einer umfangreichen Einführung und einer Beschreibung aller Märsche der Sammlung (in deutsch und in englisch; Übersetzung: Raoul Camus).

Die einzelnen Märsche der Sammlung:

 

Josef Anton Preis, Trautenauer Gefechtsmarsch

Louis-Luc Loiseau de Persuis, Alexander-Marsch

Emil Kaiser, Erzherzog Carl-Marsch (Abbildung)

Johann Nepomuk Fuchs, Pfalz-Neuburg-Deutschmeister-Marsch

Franz Grimm, Monte Croce-Marsch

Ludwig Stias(s)ný, Custozza-Marsch

Josef Pitschmann, Friedländer-Marsch

Franz Scheibelreiter, Ja wid Nassau

Reisinger-Marsch

Andreas Leonhardt, Kronprinz-Rudolf-Marsch

Gyulai-Marsch

Gabriel Šebek, Lacy-Marsch

Ludwig Schlögel, Szlankamen-Marsch

Strauch-Marsch

Johann Nepomuk Fuchs, Loudon-Marsch

Johann Nepomuk Fuchs, Maria-Theresia-Marsch

Franz Schmid, Philippović-Marsch

Josef Wiedemann, Wagram-Marsch

Karl [Richard] Šebor, Jovanović-Marsch

Karl Komzák (Sohn), Erzherzog-Albrecht-Marsch

Anton Tischler, Sommacampagna-Marsch

Franz Lehár sen., Oliosi-Sturm-Marsch

Splény-Marsch

Trenk-Panduren-Marsch

Johann Nepomuk Fuchs, Alt-Starhemberg-Marsch

Johann Nepomuk Fuchs, Daun-Marsch

Michael Haydn, Josias Coburg-Marsch

Wilhelm von Asbóth, Wallonen-Marsch

Franz Scharoch, Lymfjord-Marsch

Jellačić-Marsch

Pappenheim-Marsch

Andreas Leonhardt, Prinz-Eugen-Marsch

Anton Mahr, Windisch-Graetz-Marsch

Johann Strauß Vater, Radetzky-Marsch

Theodor Kaschte, Schwarzenberg-Marsch

Artillerie-Marsch

Anton Rosenkranz, Tegethoff-Marsch

Andreas Leonhardt, Jung-Österreich-Marsch

Johann Heinrich Walch, Pariser-Einzugs-Marsch

Andreas Leonhardt, Retraite und Zapfenstreich

Andreas Leonhardt, Elisabeth-Marsch

Andreas Leonhardt, Erzherzog Carl Monument-Festmarsch

Johann (Hans) Pavlis sen., Trautenauer-Marsch

Alter Zapfenstreich der k. und k. Armee

Anton Tischler, Marlborough-Marsch

Johann Nepomuk Král, Hoch Habsburg!

Ferdinand Preis, O du mein Österreich

Ludwig Schlögel, Turovo-Marsch