
Der „Marsch der Märsche“ wurde am 31. August 1848 auf dem sog. „Wasserglacis“ in Wien uraufgeführt. Das ist heute etwa der Bereich des Kursalons und des Stadtparks und war um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein von den Wienern gerne besuchter Unterhaltungsort, wo Musikkapellen wie die Kapelle von Johann Strauss Vater oder die „Hoch- und Deutschmeister“ unter Philipp Fahrbach sen. oft auftraten.
Der Radetzky-Marsch op. 228 wurde im Rahmen eines „großen imposanten Siegesfestes zu Ehren der tapferen Armee und zur Unterstützung der verwundeten Krieger“ (so die Zeitungs-Annonce) erstmals gespielt; Widmungsträger war der greise Feldmarschall Johann Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz (1766-1858) und die K. K. Armee.

Auch wenn der Marsch heute durch seine Funktion als unwiderruflich letzte Zugabe des populären Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker vielen Liebhabern der Wiener Musik in der „Streichfassung“ im Ohr liegt – die erste Orchesterausgabe erschien zunächst für Militärmusik, also für Blasorchester und dann für Klavier zu zwei und zu vier Händen mit dem Portrait des Widmungsträgers (siehe die beiden Abbildungen der Titelseite und der ersten Notenseite sowie die Ankündigung in der Wiener Zeitung vom 29. September 1848).
Die zahlreichen Legenden, dass das Hauptmotiv des ersten Teiles oder die Triomelodie von anderen Werken „kopiert“ wurde, hat schon der Strauss-Forscher Norbert Linke widerlegt. Er fand lediglich Ähnlichkeiten mit einem Tiroler Volkslied und meinte, dass der Text des Liedes „Fein sein, beinand‘ bleiben“ auch als Völkerverständigungsbotschaft verstanden werden könnte.

Schon 1849 hat man der Radetzky-Marsch in die Preußische Armeemarsch-Sammlung aufgenommen. 1895 wurde der Marsch dem K.u.K. Husaren-Regiment Nr. 5, dessen Inhaber Feldmarschall Radetzky war, offiziell zugewiesen.
1896 wies man den Radetzky-Marsch auch dem britischen „1st The Queen’s Dragoon Guard“-Regiment als Regimentsmarsch zu, dessen Inhaber Kaiser Franz Joseph war.
1932 schuf Joseph Roth (1894-1939) mit Radetzkymarsch einen der bedeutendsten deutschsprachigen Romane des 20. Jahrhunderts, auch wenn die Militärkonzerte nicht alle mit dem Radetzky-Marsch begannen, wie Joseph Roth in seinem Roman schreibt.

Die Sitte, Unterhaltungskonzerte mit dem Walzer op. 314 An der schönen blauen Donau von Johann Strauss Sohn und mit dem Radetzky-Marsch op. 228 von Johann Strauss Vater zu beenden, ist übrigens keine „Erfindung“ des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker. Schon Militärkapellmeister Wilhelm Wacek beendete 1910 bei seiner Südamerika-Reise Konzerte seiner „Hoch- und Deutschmeister“ mit diesen beiden Stücken.
Es existiert eine Vielzahl von Aufnahmen des Radetzky-Marsches von Johann Strauss Vater, hier ist die hörenswerte "Urfassung" verlinkt, die Nikolaus Harnoncourt 2001 bei Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker gespielt hat (YouTube, Spotify).
Literatur: Friedrich Anzenberger, "150 Jahre Radetzky-Marsch", Österreichische Blasmusik, Jg. 46, Heft 5 (Mai 1998), S. 18 f.